Der 2007 begonnene Weg der Stadt Waldshut-Tiengen in die Doppik erscheint auf den ersten Blick lang, ist aber wohlüberlegt geplant. In drei Etappen angelegt, soll 2014 im letzten Schritt der flächendeckende Wechsel auf den neuen Buchungsstil erfolgen.
Ihren Anfang nahm die Umstellungsphase bereits vor mehr als acht Jahren, als die am Fuß des südlichen Schwarzwaldes gelegene Kommune vergeblich auf eine Alternative für das bis dato im Rechenzentrum genutzte und dort nicht mehr weiter gepflegte kamerale Verfahren wartete. Auch eine Lösung für die seinerzeit bereits angedachte Doppik-Umstellung war nicht in Sicht. Aus diesem Grund fällte die Doppelstadt die Entscheidung, das Finanzwesen mit einer hoch qualitativen Software künftig in Eigenregie durchzuführen. Zwar gingen die Verantwortlichen zunächst davon aus, den Umstieg in einem harten Schritt zu vollziehen, also direkt vom Rechenzentrum in die doppische Autonomie. Die Bestandsaufnahme zeigte aber, dass es zu diesem Zeitpunkt sowohl an den organisatorischen als auch informellen Grundlagen fehlte. Daher entschlossen sie sich, einen dreistufigen Weg zu gehen, der mit der Einführung der kameralen Version von Infoma newsystem begann.
Den intensiven Auswahlprozess, in dem das Kämmerei-Team verschiedene Programme nach ihrer Komplexität, Schnittstellenanbindungen, Kosten und insbesondere der späteren Umstiegsmöglichkeit auf die Doppik verglich, entschied das Infoma-Verfahren klar für sich. Seit 2007 arbeitet die 22.900 Einwohner zählende Stadt nun für das komplette Haushaltswesen mit dem HKR/HÜLsystem inklusive Kasse, Vollstreckung und der bereits auf eine kaufmännische Struktur ausgerichteten Module Steuern und Abgaben sowie Anlagenbuchhaltung. Darüber hinaus nutzen der Baubetriebshof und der Bereich Gebäudemanagement die entsprechenden Infoma-Bausteine.
Die zweite Stufe sah bereits den Schritt in die Doppik vor. Anfang 2011 startete der 1994 gegründete Eigenbetrieb Abwasser, der die Ableitung und Reinigung von Abwasser für das gesamte Stadtgebiet mit den Kerngebieten Waldshut und Tiengen sowie den zehn Ortsteilen übernimmt, in die doppische Buchführung mit Infoma newsystem. „Wir haben uns quasi als Testlauf bewusst für den Eigenbetrieb entschieden, weil es sich hierbei um einen abgeschlossenen, überschaubaren Bereich handelt, in dem wir wertvolle buchungstechnische Erfahrungen sammeln können“, erläutert Klaus Lang, Amtsleiter Kämmerei, die Vorgehensweise. Bisher erfolgten Buchhaltung und Inkasso der Abwassergebühr für den Eigenbetrieb von den als eigenständige GmbH fungierenden Stadtwerken.
Nach den ersten Einsatzmonaten zeigen sich die Beteiligten zufrieden mit dem Ablauf. „Anders als beim Umstieg vom Rechenzentrum auf die im Haus eigenständig genutzte Software, bei dem wir einige Dinge im Vorfeld falsch eingeschätzt hatten, verlief der Wechsel auf das doppische Verfahren ziemlich unspektakulär. Dazu hat sicherlich beigetragen, dass wir hier eine Mitarbeiterin als Koordinierungsstelle eingesetzt haben, die jeden Schritt sehr konzentriert verfolgt und als klare Schnittstelle andere Teilbereiche einbezieht“, beurteilt Klaus Lang den Status quo.
Auch die Erfassung der Vermögenswerte für die Anlagenbuchhaltung erforderte keine vorbereitenden Maßnahmen. Als südbadische Stadt hat Waldshut-Tiengen eine Vollvermögensrechnung, so dass die Umsetzung zügig vonstatten gehen konnte. Der Rechnungsabschluss 2010 liegt bereits vor, auf dessen Basis die Eröffnungsbilanz erstellt werden kann.
In der Überlegung ist die Berechnung der Abwassergebühren. Im Zuge des noch über die Stadtwerke abgewickelten Inkassos werden die Wasser- und Abwasserrechnungen zusammen verschickt – für den Bürger eine durchaus sinnvolle Angelegenheit. „Wir müssen für die gesplittete Abwassergebühr Daten für den Bereich Schmutzwasser und den Bereich Oberflächenwasser erheben“, so Klaus Lang. „Die Frage ist daher, ob wir das ins System übernehmen sollen oder – da die Stadtwerke in ihrer Kundeliste auch eine Mischstruktur haben – es lieber beim jetzigen Ablauf belassen.“
Unabhängig von dieser Entscheidung wird ab 2012 auch der bestehende Zweckverband mit zwei umliegenden Gemeinden für den gemeinsamen Betrieb eines Klärwerks in Infoma newsystem überführt. Der bisher von der Nachbargemeinde in einem separaten Programm abgewickelte Zweckverband wird aufgelöst und die Buchungen werden vom Eigenbetrieb Abwasser übernommen.
Den letzten großen Schritt im Umstellungsprozess – der Wechsel der Kernverwaltung in den doppischen Haushalt – hat Waldshut-Tiengen für den 1.1.2014 vorgesehen. Allerdings wird sich der Termin noch an den endgültigen politischen Entscheidungen in Baden-Württemberg bezüglich des doppischen Rechnungswesens orientieren. Klaus Lang erwartet für diesen Stichtag einen wesentlich höheren Aufwand als beim Start des Eigenbetriebs: „Wir müssen für die Eröffnungsbilanz Straßen und Grundstücke neu bewerten, da die Daten nur pauschal vorliegen. Eine weitere große Aufgabe wird die Strukturierung sein. Wer macht was? Welche Produkte und wie viele in welchem Umfang soll es geben? Das sind zu bewältigende Aufgaben, die wir uns von Seiten der Kämmerei für die nächsten ein, zwei Jahre als Ziel gesetzt haben. Dabei werden wir die Mitarbeiter des Haupt- und Bauamtes verstärkt mitnehmen und in den Umstellungsprozess einbeziehen.“
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen sieht der Amtsleiter dieser wichtigen Stufe aber mit Zuversicht entgegen: „Wir wissen ja jetzt, worauf wir konkret achten müssen, beispielsweise bei der Datenübernahme oder der Anbindung an die Fachverfahren Ordnungswidrigkeiten und Personal sowie an die Volkshochschule. Insofern war der dreistufige Umstieg für uns die richtige Entscheidung.“
Produkt Finanzwesen
Land Deutschland
Einwohnerzahl
22.900
Seit 2007 HKR/HÜLsystem inklusive Kasse, Vollstreckung, Steuern und Abgaben, Anlagenbuchhaltung. Darüber hinaus nutzen der Baubetriebshof und der Bereich Gebäudemanagement die entsprechenden Infoma-Bausteine. Seit 2011 Eigenbetrieb Abwasser mit Finanzwesen Doppik.